NRW-Ministerin will Wahlrecht für Menschen ohne deutschen Pass diskutieren

Die Integrationsministerin des Landes spricht sich beim Besuch in Bielefeld für eine Debatte darüber aus, ob auch Bürger aus Drittstaaten wählen dürfen.

Bielefeld. NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) und Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) machen sich dafür stark, dass auch Bürgerinnen und Bürger ohne deutschen Pass an politischen Wahlen im Land teilnehmen dürfen. Man könne und müsse ein solches Wahlrecht diskutieren, sagte Paul bei einer Veranstaltung des Landesintegrationsrats in Bielefeld.

An Bundestags- und Landtagswahlen dürfen nur Menschen teilnehmen, die einen deutschen Pass haben. EU-Bürger dürfen immerhin an Kommunalwahlen teilnehmen. Menschen aus Drittstaaten dürfen das aber nicht. „Man kann und man muss ein Wahlrecht dieser Menschen weiter diskutieren“, forderte Paul unter Applaus im Bielefelder Rathaus. Oft scheiterten sie an der Möglichkeit, „hier mitentscheiden zu dürfen“. Die Grünen-Politikerin ist seit rund einem halben Jahr Integrations- und Flüchtlingsministerin in NRW.

Sie persönlich habe zu dieser Frage auch eine Meinung, sagte Paul lächelnd in Richtung von Pit Clausen. Bielefelds Oberbürgermeister hatte sich kurz zuvor ebenfalls für ein „aktives und passives Wahlrecht“ der hier lebenden Menschen ausgesprochen, die keinen deutschen Pass besitzen. „Sie leben hier, sie arbeiten hier, warum sollen sie nicht auch den Oberbürgermeister wählen dürfen?!“, fragte Clausen.

In Bielefeld sind Menschen aus 160 Nationen vertreten

In NRW hatte die damalige rot-grüne Koalition unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zuletzt 2017 eine Änderung der Landesverfassung geplant, um das Kommunalwahlrecht für Ausländer aus nicht EU-Staaten zu verankern. Der Vorschlag mit der Formulierung „Wahlberechtigt sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates besitzen und die ihren ständigen Wohnsitz dauerhaft in Deutschland haben“ wurde damals im Landtag aber abgelehnt.

Laut Clausen sind allein in der Stadt Bielefeld inzwischen 160 Nationen vertreten. Von 344.000 Einwohnern haben nach Angaben des Oberbürgermeister 144.000 einen Migrationshintergrund. „Wir sind eine Einwanderungsstadt“, sagte Clausen. Die Vorsitzende des Bielefelder Integrationsrats, Murisa Adilovic, betonte, dass mehr als die Hälfte „aller Kinder in Bielefeld“ eine internationale Familiengeschichte haben. „Die größte Talentreserve haben wir im eigenen Land, bei den Kindern, die hier geboren werden“, sagte Adilovic. Deshalb seien Strukturen für gleichberechtigte Aufstiegsmöglichkeiten von großer Bedeutung. Im Bielefelder Rathaus hatten sich am Samstag auf Einladung des Landesintegrationsrats Delegierte aus 111 Integrationsräten des Landes versammelt. Nach ihrer Rede beantwortete Paul zahlreiche Fragen rund um die Themen Integration, Flucht und Migration.

https://www.nw.de/nachrichten/zwischen_weser_und_rhein/23431361_NRW-Ministerin-will-Wahlrecht-fuer-Menschen-ohne-deutschen-Pass-diskutieren.html

Quelle: NW.de – Ein Artikel von Ingo Kalischeck | 10.12.2022